: In Dortmund haben sie auch am Samstag gelacht
Weil Niederlagen und Aufbruchstimmung ganz schlecht korrespondieren, tut sich der neue Übungsleiter Klaus Augenthaler ziemlich schwer, die Schlappe des VfL Wolfsburg gegen den BVB zu verkaufen: Seine Wölfe spielen geschwächt, aufopferungsvoll, aber verlieren das vierte Spiel in Folge
Die Dimensionen beim VfL Wolfsburg sind ein wenig anders als bei den anderen Bundesligisten. Als Stefan Effenberg vor ein paar Jahren in Bielefeld sein erstes Spiel für den Werksverein machte, erzählte ein aufgeregter Lokalreporter, dass montags in seiner Zeitung ein Foto zu sehen war mit zehn Leuten, die schon das Effe-Trikot gekauft und es im Stadion getragen hätten. Der Spott der Kollegen war dem Reporter sicher.
In Dortmund haben sie am Donnerstag auch gelacht, als bekannt wurde, dass so viele Wolfsburger Fans mit zum Spiel bei der Borussia kommen wie noch nie – 800. Außerhalb Wolfsburgs sorgt diese Zahl eher für Kopfschütteln, aber Rekord ist Rekord. Gut 1.400 Zuschauer waren sogar zum ersten Training unter Klaus Augenthaler gekommen, der alles besser machen soll als sein Vorgänger Holger Fach. Es gab also Gründe, daran zu glauben, wovon sie beim VfL erzählten. Es gebe eine Aufbruchstimmung, hieß es. In der Mannschaft wurde von einigen Beobachtern sogar Teamgeist ausgemacht, eine in Wolfsburg höchst seltene Erscheinung.
Da Aufbruchstimmung und Niederlagen ganz schlecht korrespondieren, war dieser Effekt nach dem 2:3 (1:2) in Dortmund schon wieder verpufft. Den Teamgeist aber wollte Klaus Augenthaler auf keinen Fall auch noch aufs Spiel setzen. Schon während der Pressekonferenz wunderten sich viele Zuhörer, wie der Trainer eine Mannschaft lobte, die sich in den ersten 70 Minuten furchtbar schwach präsentierte, sich zum Schluss dann zumindest nach Kräften wehrte. „Es ist schade, dass wir nach dem aufopferungsvollen Kampf nicht mit einem Punkt belohnt wurden“, sagte Augenthaler, der eigenartig pfleglich mit seiner Mannschaft umging. Ab und an ließ er aber doch durchblicken, dass alle im Raum über das gleiche Spiel sprechen: „Ich weiß, dass noch viele Fehler gemacht wurden.“ Das könne er der Mannschaft aber nicht verübeln.
Mildernde Umstände mussten auch gewährt werden, denn die halbe Startelf fehlte den Wölfen wegen des Afrika-Cups, einer Sperre und Verletzungen. Einer fehlte, weil er anscheinend noch weniger Lust als in den vergangenen Monaten hat, für seinen stattlichen Lohn auch zu arbeiten. Augenthaler strich Andres D’Alessandro am Freitag aus dem Kader, weil der schlecht trainiert hatte und anschließend vorgab, verletzt zu sein. „Ich habe ihn zum Arzt geschickt, der hat nichts gefunden. Vielleicht finde ich morgen etwas“, sagte der Trainer mit Blick auf die Übungseinheit am Sonntag, bei der D’Alessandro wieder mitwirkte.
Augenthaler nutzte – ob gewollt oder nicht – den Argentinier am Samstag geschickt, um den Teamgeist zu fördern. Er isolierte D’Alessandro („Der hätte uns nicht geholfen.“) und lobte eine Mannschaft als kampfstarke Einheit, die auch das vierte Spiel in Folge verlor.
Dabei waren die Voraussetzungen trotz der personellen Misere gar nicht einmal schlecht, in Dortmund zu punkten. Mike Hanke schoss in der 13. Minute das 1:0, nachdem er die Dortmunder Abwehr genarrt hatte. Solch ein Treffer hätte der Mannschaft Auftrieb geben müssen, aber Augenthaler musste zugeben: „Die Unsicherheit war immer noch da.“ Das spielerisch arg limitierte Mittelfeld war nur selten in der Lage, die beiden Stürmer brauchbar anzuspielen. Die aus der Not heraus formierte Abwehr leistete sich etliche Fehler. Bei Stefan Schnoor ist es nicht wie beim Wein, das zeigte sich in vielen Szenen, besonders beim 3:1 für den BVB durch Salvatore Gambino (67.). Schnoors Eigentor zum 1:1 (24.) fällt in die Kategorie Pech, und auch das 2:1 durch den zwölften Saisontreffer von Euzebiusz Smolarek war eher ein Zufallsprodukt. Aber dass Diego Klimowicz nach 71 Minuten den Anschlusstreffer erzielte und Cedrick Makiadi bei einem Lattenschuss fast der Ausgleich geglückt wäre (78.), war eher mangelhafter Konzentration des BVB zu verdanken.
Wenn er jetzt auf die Tabelle schaue, könne das Ziel doch nur noch Klassenerhalt heißen, wollte ein Reporter den Wolfsburger Trainer locken. Augenthaler konterte: „Ich schaue nicht auf die Tabelle.“ Ratsam ist das auch nicht, denn die gönnerhaften Geldgeber von VW denken, was die Platzierung angeht, in anderen Dimensionen als sie die Realität widerspiegelt.
Markus Bark